Nicht für jeden Studiengang werden Interessierte so ohne weiteres zugelassen. Manche sind zulassungsbeschränkt und erfordern ein Praktikum, eine Arbeit (oftmals bei künstlerischen Studiengängen) oder einen gewissen Abiturschnitt. Diese erforderliche Durchschnittsnote nennt sich auch Numerus Clausus - aber, was ist das eigentlich?
Nach dem zweiten Weltkrieg wollte die deutsche Bildungspolitik erreichen, dass möglichst viele Abiturienten und Abiturientinnen im Anschluss an die Schule ein Studium beginnen. Das führte zwischen 1952 und 1967 zu einer Verdopplung der Studierendenzahlen in Deutschland. Die Folge: Universitäten und Hochschulen stießen an ihre Kapazitätsgrenzen, es fehlten Lehrende und Vorlesungsräume. Im Jahr 1968 wurde daraufhin bei der Westdeutschen Rektorenkonferenz ein Notmaßnahmenkatalog erarbeitet, der als zentralen Punkt den Numerus Clausus enthielt.
Wortwörtlich beschreibt Numerus Clausus eigentlich die “begrenzte Zahl” von Studienplätzen, in der Praxis wird er jedoch mit dem erreichten Notenschnitt im Abitur gleichgesetzt.
Um die begrenzten Kapazitäten an Universitäten und Hochschulen nicht zu überlasten, ist eine Zuteilung der Studienplätze sinnvoll. Diese muss anhand gut überlegter Kriterien geschehen und über die Wahl des Abiturschnitts als Zulassungskriterium lässt sich sicherlich diskutieren. Allerdings belegen unterschiedliche Studien* bereits, dass Jugendliche mit guten Abschlussnoten auch bessere Leistungen im Studium erzielen, weniger Prüfungsängste und Sorgen haben. Aus diesen Gründen ist es auch wahrscheinlicher, dass sie ein begonnenes Studium beenden, da sie mit Herausforderungen besser umgehen können.
Zudem schafft die Kombination aus kognitiven und motivationalen Einflüssen sowie Langzeitleistungen (über zwei Jahre hinweg) und Kurzzeitleistungen (in Form von Tests und Klausuren) ein objektives Gesamtbild der Fähigkeiten von Schülern und Schülerinnen.
Nichtsdestotrotz gibt es auch Kritik am Einsatz des NC. Das Bundesverfassungsgericht wurde schon öfter mit der Überprüfung dieser Zulassungsbeschränkung beauftragt, da das Grundgesetz in Artikel 12 eine freie Wahl des Berufs, Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte vorschreibt. Das Ergebnis: nach und nach kamen ergänzende Regeln hinzu, wie die Vorgabe, dass Universitäten ihre Kapazitäten auch ausschöpfen sollen, eine Wartezeitquote von 20% und ein weiteres Auswahlkriterium neben dem NC.
Auch die fehlende Objektivität von Lehrenden wird oft kritisiert. Hier ist es jedoch selbstverständlich und menschlich, dass in die Bewertung von Schülern und Schülerinnen oft auch Vorurteile, Erfahrungen und Meinungen der jeweiligen Lehrkraft einfließen. Das soll hier nicht der Punkt sein, vielmehr soll es um den Wunsch gehen, diese Fakten bei der Betrachtung von Noten zu berücksichtigen und ihnen aufgrund dessen nicht zu viel Bedeutung beizumessen.
Immer häufiger wird auch allgemein die Vergabe von Noten kritisiert, da sie in erster Linie die Fähigkeit bewerten etwas auswendig zu lernen und es korrekt wiederzugeben. Eine Zensur sagt demnach nichts über andere Fähigkeiten und Fertigkeiten aus. Skeptiker geben zu bedenken, dass ein Abiturzeugnis keinerlei Informationen zu Empathie, Konfliktfähigkeit, zu Höflichkeit, Gerechtigkeitssinn, Offenheit, Führungsqualitäten oder anderen gesellschaftlich wichtigen Charaktereigenschaften einer Person enthält.
zusätzliche Denkanstöße:
Letztendlich kann anhand guter Noten nicht festgestellt werden, dass jemand erfolgreich in dem erlernten Beruf sein wird, sondern lediglich wie wahrscheinlich ein erfolgreiches Beenden des Studiums ist.
Abschließend muss ebenfalls erwähnt werden, dass jeder Mensch ein Individuum ist und diese Annahmen nur den Durchschnitt wiederspiegeln. Sie betreffen keinesfalls alle Studierenden gleichermaßen. So gibt es in jede Richtung Beispiele, die sich nicht dem Durchschnitt zuordnen lassen. Abiturienten und Abiturientinnen mit ausgezeichneten Abschlussnoten, die ihr Studium abbrechen oder durchfallen, aber auch Menschen, die ihr Abitur gerade so bestehen und im richtigen Studiengang dann überdurchschnittlich gut performen. Zudem wird der Werdegang einer Person immer auch von äußeren Einflüssen geprägt, sodass Schicksalsschläge, Erfahrungen oder sich ändernde Lebensumstände ebenfalls zu Ausnahmen führen können.
Dieser Blogbeitrag soll es Lesenden ermöglichen, sich eine eigene Meinung zum Numerus Clausus und seiner Sinnhaftigkeit zu bilden. Er hat nicht den Anspruch für eine favorisierte Denkweise zu werben. Es besteht immer auch die Möglichkeit, dass beide Meinungen richtig oder beide Meinungen falsch sind. Wie so oft ist die Welt nicht schwarz-weiß.
*Studien:
Baron-Boldt, Schuler & Funke (1988); Roth, BeVier, Switzer III & Schippmann (1996); Trapmann, Hell, Weigand & Schuler (2007); Schierling (2021)
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